
© Chalabala/stock.adobe.com
Berlin, 18. November 2025. Mit großem Befremden hat der Flughafenverband ADV eine aktuelle Publikation der Organisation Transport & Environment (T&E) zur Kenntnis genommen. Die Ausarbeitung mit dem anspruchsvollen Titel „The Economics of Air Transport in Europe. Part One: Air Transport and Growth“ weckt hohe Erwartungen – erfüllt diese aber nicht.
T&E-Behauptungen halten wissenschaftlicher Überprüfung nicht stand
Die von T&E vorgetragenen Zweifel an der wirtschaftlichen Bedeutung des europäischen Luftverkehrs erweisen sich bei näherer Betrachtung als nicht belastbar. Die Auftragsstudie untersucht 274 Regionen in Europa und kommt zu dem Ergebnis, dass nur in etwa einem Drittel ein Zusammenhang zwischen wachsendem Luftverkehrsangebot und steigendem Wirtschaftswachstum bestehe. Dies treffe vor allem auf wirtschaftlich aufholende Regionen in Mittel- und Osteuropa zu. Daraus leiten die Autoren ab, dass eine Dämpfung des Luftverkehrswachstums aus klimapolitischen Gründen ratsam sei.
Der Flughafenverband ADV hat die Analyse einer eingehenden fachlichen Prüfung unterzogen und mit Erkenntnissen renommierter wissenschaftlicher Institute verglichen.
Ergebnis: Die Kernaussagen der T&E-Studie stehen im Widerspruch zu den Erkenntnissen anderer empirischer Untersuchungen.
Empirische Evidenz zeigt: Luftverkehr stärkt Wettbewerbsfähigkeit
Die aktuelle Studie von SEO/ACI (2024) belegt eindeutig, dass Konnektivität ein zentraler Standortfaktor ist. Sie zeigt auf, dass Produktivität, Innovationskraft, internationaler Handel, Investitionsentscheidungen und der Zugang zu globalen Märkten maßgeblich durch ein wachsendes Luftverkehrsangebot profitieren.
Ein zentrales Ergebnis: 10% mehr direkte Konnektivität führen langfristig zu rund 0,5% höherem BIP pro Kopf – und das nicht nur in aufholenden Regionen, sondern gerade auch in hochentwickelten Metropolräumen. Die wirtschaftlichen Zentren Deutschlands und Europas mit ihren exportorientierten Industrien und globalen Wertschöpfungsketten sind auf verlässliche internationale Luftverkehrsanbindungen angewiesen. Dieses Praxiswissen widerspricht den von T&E verbreiteten Thesen fundamental: Gut funktionierende Verkehrs- und Handelswege waren und sind stets Grundlage wirtschaftlicher Prosperität.
Methodische Schwächen der T&E-Studie
ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel kommentiert die Studie wie folgt: „Für eine sachgerechte Bewertung der ökonomischen Bedeutung des Luftverkehrs sind Analysen, die Netzwerkstrukturen, Qualität der Anbindung und internationale Zusammenhänge einbeziehen, unverzichtbar. Diese Verflechtungen sind hier gänzlich vernachlässigt worden. Dadurch entsteht ein unvollständiges und verzerrtes Bild.“
Aus Sicht der ADV weist die Analyse von T&E erhebliche methodische Mängel auf:
1. Vernetzungscharakter des Luftverkehrs ignoriert:
Die Studie betrachtet 274 Regionen isoliert. Luftverkehr wirkt jedoch in einem europaweit vernetzten System, dessen ökonomischer Nutzen vor allem durch Hub-Strukturen, Umsteigeverbindungen und internationale Wertschöpfungsketten entsteht. Diese Netzeffekte bleiben vollständig unberücksichtigt.
2. Unzureichende Messgröße für Konnektivität:
T&E setzt Konnektivität ausschließlich mit Passagierzahlen gleich – ein praxisferner Ansatz. Für Standortentscheidungen zählen Reichweite, Frequenz, Netzstruktur, interkontinentale Anbindung und Frachtkapazitäten – Faktoren, die die Studie ignoriert.
3. Regionale Zersplitterung verzerrt Wachstumseffekte:
Durch die Betrachtung sehr kleiner Regionen werden überregionale wirtschaftliche Impulse ausgeblendet, obwohl diese im Luftverkehr von zentraler Bedeutung sind.
ADV-Positionierung
Zur Veröffentlichung der T&E-Publikation führt ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel aus: „Konnektivität ist zentraler Standortfaktor moderner Volkswirtschaften – gerade in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt. T&E unterschätzt systematisch die Netzwerk- und Strukturwirkung des Luftverkehrs. Luftverkehr ist kein Wachstumsrisiko, sondern Voraussetzung für internationale Wettbewerbsfähigkeit. Für eine sachgerechte Bewertung der ökonomischen Bedeutung des Luftverkehrs braucht es Analysen, die Netzwerkstrukturen, Qualität der Anbindung und internationale Zusammenhänge einbeziehen“.
Fakt ist:
- Der durch den Luftverkehr induzierte wirtschaftliche Beitrag beträgt allein in Deutschland 121 Mrd. Euro bzw. 2,5% der gesamten Wirtschaftsleistung und sichert 1,5 Mio. direkte und indirekte Arbeitsplätze (ACI/SEO 2024).
- Der Luftverkehr ist – und bleibt – eine zentrale wachstumstreibende Kraft. Ein zunehmendes Angebot an Zielen und Strecken stärkt die regionale und internationale Einbindung, schafft hochwertige Arbeitsplätze und eröffnet auch entfernteren Regionen Zugang zum globalen Wirtschaftsgeschehen.
„Die ADV geht entschlossen voran und setzt sich auch in Zukunft für einen leistungsfähigen, international vernetzten und zugleich klimaverträglichen Luftverkehr ein – denn diese Kombination sichert langfristig die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und ganz Europas“, erläutert ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel die Position des Verbandes.
Die ADV betont drei Kernpunkte:
I. Kein nationaler Sonderweg bei Abgaben, Steuern und Regulierung
Der Luftverkehr ist international reguliert (ICAO, EU). Nationale Sonderbelastungen – wie überproportional hohe Abgaben oder Zusatzregeln:
- gefährden die internationale Wettbewerbsfähigkeit
- gefährden die Hub-Funktion großer Drehkreuze, wie FRA + MUC
- führen zu Verlagerung von Verkehren ins Ausland („Carbon Leakage“).
Die ADV fordert daher Standortpolitik mit europäischer Vergleichbarkeit.
II. Klimaschutz ja – aber mit wirksamen Hebeln, nicht mit künstlicher Verknappung
Die ADV und die deutschen Flughäfen bekennen sich klar zu einem ambitionierten Klimaschutz und arbeiten seit Jahren systematisch an der Reduktion ihrer CO₂-Emissionen. Viele Standorte haben ihre Infrastruktur bereits umfassend modernisiert, setzen auf energieeffiziente Gebäude, betreiben große Photovoltaikflächen, nutzen erneuerbare Energien und stellen ihre Fahrzeugflotten schrittweise auf alternative Antriebe um.
Neben diesen infrastrukturellen Maßnahmen unterstützen die Flughäfen technologische Fortschritte im Flugverkehr:
- den Hochlauf nachhaltiger Flugkraftstoffe (SAF)
- die kontinuierliche Modernisierung der Flugzeugflotten der Airlines sowie
- Effizienzsteigerungen im europäischen Luftraum durch den Single European Sky.
- Ergänzend setzen sie auf marktwirtschaftliche Instrumente wie den EU-Emissionshandel und den globalen ICAO-Mechanismus CORSIA.
III. Sicherstellung fairer und international abgestimmter Rahmenbedingungen
Der Luftverkehr ist ein globales System, das nur dann effizient und wettbewerbsfähig funktionieren kann, wenn die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen international vergleichbar sind. Nationale Sonderwege führen zu Verzerrungen, schwächen den Standort Europa und gefährden den Erfolg seiner großen Drehkreuze. Damit Deutschland und Europa ihre Rolle im internationalen Luftverkehr auch künftig behaupten können, braucht es faire, abgestimmte und wirtschaftlich tragfähige Bedingungen.
Fazit des Flughafenverbandes ADV:
„Die internationale Forschung zeigt signifikant positive BIP- und Produktivitätseffekte. Regionale Mikrobetrachtungen sind ungeeignet, globale Mobilität zu bewerten. Eine politisch gewollte Reduktion des Luftverkehrs hätte gravierende ökonomische Folgen. Der richtige Weg ist nicht weniger, sondern klimaneutraler Luftverkehr“, so Beisel abschließend.
ADV-PM 30 2025 Luftverkehr ist unverzichtbar für Wohlstand und Wachstum

